König Ludwigs Prunkdegen
Verschollenes "Paradeschwert" aus dem Privatbesitz
König Ludwig II. von Bayern wird als
Teil einer Kunstausstellung über Europas Glanz im 19. Jahrhundert
in Völklingen gezeigt.
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Über den "Märchenkönig", sein Verhältnis
zum Geld und seine Prunksucht wird viel geschrieben und erzählt;
allzu oft weit entfernt von der Wahrheit. So sollte man sich - bevor
man über Pracht und Verschwendung spricht - die tatsächlichen
Umstände jener Zeit etwas näher ansehen.
Wie in jedem öffentlichen Haushalt wurde dem König als
Staatsoberhaupt, der Verfassung entsprechend, ein Budget zur Verfügung
gestellt, über das auch im Parlament diskutiert wurde.
Der Gesamthaushalt des Königreichs Bayern betrug 221.633.348
Mark. Der König von Bayern erhielt unter der Bezeichnung "permanente
Zivilliste" jährlich eine Summe von 4.231.044 Mark zur
Deckung seiner Kosten, wie Personal, Repräsentation, Instandhaltungs-
und Reparaturkosten usw.
In den ersten Regierungsjahren standen König Ludwig II. von
Bayern (1845-1886, König ab 1864) davon 1,4 Mio. Mark zur freien
Verfügung, was sich bis zum letzten Regierungsjahr wegen weiterer
fester Kosten, die der König zu tragen hatte, auf ca. 800.000
Mark im Jahr verringerte.
Da eine Umrechnung auf heutige Währung nicht möglich ist
(eine Kaufkraftberechnung der Mark-Währung wurde erst 1924
eingeführt) und der Geldwert erheblich schwankte, können
sich Kaufkraftberechnungen nicht auf eine ganze Epoche, sondern
nur auf bestimmte Jahre beziehen. Zum besseren Verständnis
der Werte hier einige Preise jener Zeit: 1 Maß Bier = 22 Pfennige,
1 Pfund Brot = 25 Pfennige, 1 Pfund Butter = 1,05 Mark - umgekehrt
erhielten bspw. Arbeiter im Bergbau rund 100 Mark im Monat, Eisenbahnschaffner
rund 157 Mark und obere Beamte rund 608 Mark monatlich.
Zum Bild des Märchenkönigs gehören neben den heute
noch bestehenden und inzwischen weltbekannten Schlössern auch
noch zahlreiche kostspielige Interessen, die den König viel
Geld aus seinen privaten Einnahmen kosteten.
Dazu gehören Separatvorstellungen in Oper und Theater, die
stets mit vollem Programm gespielt wurden, aber eben ohne Publikum,
außer dem König. Dazu gehören Bücher, die immer
wieder in großen Mengen für den König angeschafft
werden mussten, Uhren, Schmuck und auch viele Geschenke, denn der
König war stets sehr großzügig.
So geriet König Ludwig II. durch seine Bauten und jene teuren
Interessen schon recht früh mit seiner privaten "Civilliste"
in Zahlungsschwierigkeiten. Im August 1885 eskalierten die Auseinandersetzungen
um die mit ca. 14 Millionen Mark Schulden belastete Kabinettskasse
des Königs, der aber seine Bauprojekte unbedingt weiterführen
wollte. Im Juni des darauffolgenden Jahres war der König bereits
tot.
Da es sich um private Ausgaben handelte, fielen die Schulden
der Familie Wittelsbach zu und so fing man sehr früh an, Teile
aus dem Vermögen des ehemaligen Königs zu verkaufen. Bereits
knapp zwei Monate nach dem Tod des Königs wurden seine Schlösser
zur Besichtigung gegen Eintritt freigegeben; an eine Vollendung
der unfertigen Projekte dachte niemand mehr.
Ganz im Gegenteil: so wurden z. B. die als Rohbauten fertigen Teile
von Schloss Herrenchiemsee (Nord- und Südflügel) wieder
abgetragen. Die bereits umfangreich ausgeführten Gartenanlagen
waren teilweise zwar noch zu Lebzeiten König Ludwig II. in
Betrieb genommen worden; die Wasserspiele wurden aber schon bald
zugeschüttet und zu Rasenflächen umgewandelt. Die dazugehörenden
Maschinen, Rohrleitungen und Ventile wurden ausgebaut und verkauft.
Verkauft wurden auch schier unzählige Objekte, die sich in
Ludwigs Privatbesitz befanden. Seine Schlösser waren
Wohn- und keine Repräsentationsbauten und vollgestellt mit
Nippes (Ziergegenstände, wie Skulpturen, Statuetten, Väschen
usw.), Büchern, Plänen, Zeichnungen und Kostümen.
Wie mit den meisten Dingen, mit denen sich König Ludwig II.
beschäftigte, konnte die Familie mit diesen zahlreichen Gegenständen
inhaltlich nicht viel anfangen. Es lag also nahe, diese persönlichen
Objekte ebenfalls zu veräußern, nicht zuletzt, um wieder
Geld in die Familienkasse zu bekommen.
Nach
dem Tod des Königs wurde der Nachlass zum Teil an die
Familie bzw. Hofhaltung verteilt, gelangte in Museen und ein Teil
verblieb als Mobiliar in den Schlössern. Aus Gründen der
Durchführbarkeit von (inzwischen massenhaften) Führungen
sind heute aber kaum noch private Gegenstände in den Schlössern
zu finden.
Ein beträchtlicher Teil des Nachlasses wurde verkauft: nach
Straßburg, Paris und an Geo(rg) Ehni in Stuttgart. Neben einzelnen
wertvollen Objekten seien - nach Auffassung der Nachlassverwaltung
- meist "minder wertvolle oder sogar wertlose" vorzufinden
gewesen.
Der Kaufmann Johann Georg Ehni (1828-1904) war königlich-württembergischer
Kommerzienrat und später Reichstagsabgeordneter der Deutschen
Volkspartei; Ehni war als Kunstsammler und Experte des Kunsthandwerks
bekannt - so war er bspw. 1867 Preisrichter bei der Pariser Weltausstellung,
genau wie 1875 in Wien.
1887 scheint Ehni sich im Rahmen einer Ausstellung der gekauften
Objekte aus dem Nachlass einiger merkwürdiger Anmaßungen
hingegeben zu haben. So sollen Kostüme gezeigt worden sein,
die der König selbst getragen habe und es scheint auch an Uhren
so manipuliert worden zu sein, dass sie ausgerechnet den 13. Juni,
10 Uhr anzeigen.
Solche Vorkommnisse erregten wiederholt Aufsehen und Unmutsäußerungen.
1888 beauftragt Ehni schließlich das Kunst- und Antiquitätenhaus
Albert Duss mit der Durchführung einer Auktion von fast 1.200
Objekten, die Ehni aus jenem "berühmten Nachlass"
erworben hatte. So findet sich in der "Schwäbischen Kronik"
vom 28. September 1888 eine Anzeige mit dem Hinweis auf eine Auktion
von "Kunstgegenständen, Gemälden, Marmor-Statuen,
Bronze und Porzellan etc.", die am 1. Oktober in der Stuttgarter
Gewerbehalle durchgeführt wurde.
Der Katalog der Auktion teilte die Objekte in sechs Gruppen
auf:
- "Porzellan-Figuren und Gefässe, Tassen, Teller etc.
- Glas-, Email-Nippsachen und dergleichen, Bronze, Uhren, Schmuck
und Miniaturen.
- Elfenbein.
- Email- und Miniatur-Porträts, Denkmünzen in Gold und
Silber, Orden, silberne Pokale, Prachtdegen und Reitpeitschen mit
Edelsteinen.
- Kunstmöbel mit Vernis-matin-Malerei und Bronze-Verzierungen.
- Ölgemälde, Miniaturgemälde, Gobelin-Malerei, Glasbilder,
Marmorfiguren und Gruppen."
Es findet sich kein direkter Hinweis auf den vormaligen Eigentümer;
es war vielmehr mit der Vermögensverwaltung des Nachlasses
ausdrücklich vereinbart worden, dass "die Ursprungsfrage
der Gegenstände mit vollkommenster Discretion zu behandeln"
sei.
Die Abbildungen des Kataloges ermöglichen jedoch eine recht
eindeutige Zuordnung zu frühen Veröffentlichungen zu König
Ludwig II. und seinen Schlössern - allen voran bei Louise von
Kobell: "Die bayerischen Königsschlösser und ihr
Schöpfer". Aber auch im Katalog des "König Ludwig
II.-Museum Herrenchiemsee" finden sich zahlreiche Anhaltspunkte,
dass es sich um den Nachlass des bayerischen Königs handelt.
Unter
der laufenden Nummer 944 des Auktionskataloges von 1888 wurde auch
ein Paradeschwert mit folgender Beschreibung versteigert:
"Paradeschwert, silbervergoldet, im Stil Louis XIV.,
mit erhabenen, in verschiedenen Farben emaillierten, ornamentalen
und figürlichen Darstellungen, mit farbigen und weissen Edelsteinen
duschaus besetzt, in der Mitte Monogramm L. mit Königskrone.
Der untere Teil der Scheide in ähnlicher Weise verziert. Kabinettstück
ersten Ranges."
Es ist leider so gut wie nichts über den Verlauf der Versteigerung,
die erzielten Erlöse, geschweige denn über die Käufer
und den Verbleib der Gegenstände zu ermitteln.
Im Jahre 1993 kaufte eine Bremer Galerie jenes Schwert für
eine Million Dollar von einem englischen Sammler. Die Inhaber der
Galerie, Achim Neuse und Volker Wurster, nahmen das Schwert in ihre
Privatsammlung auf, die mit über 300 Kunstwerken einen
einzigartigen Einblick in die Geschichte und Kultur des 19. Jahrhunderts
gibt.
Eine große Auswahl daraus wird jetzt in einer Ausstellung
präsentiert; für den dazu herausgegebenen prächtigen
280-seitigen Katalog sind alle Fotos neu erstellt und von namhaften
Autoren erläutert worden.
Über den Prunkdegen hat der promovierte Kunsthistoriker Matthias
Klein aus München einen mehrseitigen Aufsatz verfasst; Klein
hat sich auf das Thema Goldschmiedekunst und Kunsthandwerk des 19.
Jahrhunderts spezialisiert.
Demnach schuf der bayerische Hofjuwelier Adam Hausinger (1820-1908)
den "spanischen Degen" wohl schon um 1861/62. Hausinger
war bekannt für einige frühe bayerische Orden und hatte
daher gute Kontakte zum Königshof. Franz Seitz (1817-1883),
der auch mit der Realisierung mehrerer Projekte König Ludwig
II. beauftragt war, fertigte die Entwurfszeichnung für den
Degen.
Die Klinge des Degens wurde vom Münchener Hofwaffenschmied
Johann Baptist Stroblberger (1820-1894) hergestellt.
Der Auftraggeber des Degens soll - laut Klein - der jüngste
Sohn von König Ludwig I. von Bayern, nämlich Prinz Adalbert
(1828-1875) gewesen sein. Schon 1847 wurde Adalbert Großprior
des königlich-bayerischen Hausritterordens vom Heiligen Georg.
Erich Correns hat den Prinzen - angelehnt an die spanische Hoftracht
- in dem Kostüm des St.-Georgs-Ritterorden in Öl gemalt.
Das Bild entstand 1856, im Jahr der Heirat des Prinzen mit Amalia
Felipe Pilar, Infantin von Spanien, und zeigt den dazu gehörenden
spanischen Degen.
Ein
so genannter "spanischer Degen" war eine Stichwaffe aus
dem 16. Jahrhundert und hatte sich aus den späten Typen des
Stoßschwertes entwickelt. Ein solcher Degen hat eine schmale
und lange Klinge und einen Korb aus Eisenbändern oder -spangen,
der die Hand schützt. Aus den zivilen Degen entwickelte sich
schrittweise das leichtere Rapier. Dieses ist insgesamt leichter
und war die persönliche Waffe des Adeligen.
Allerdings stammt dieser Degen aus dem Jahr 1605 und war Eigentum
des königlich-bayerischen Hausritterordens; er befindet sich
heute im Besitz des Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Prinz Adalbert
ließ sich wohl nach dieser Vorlage eine Kopie anfertigen.
Dieser Prunkdegen ist nach Kleins Recherchen auch Thema in Fachzeitschriften
gewesen, so 1861 in der Berliner Zeitschrift "Die Dioskuren.
Hauptorgan der Deutschen Kunstvereine" und 1862 in der Zeitschrift
des "Verein zur Ausbildung der Gewerke". So verwundert
es nicht, dass der Degen nach dem Tod Prinz Adalberts 1875 in der
"Kunst- und Kunstindustrieausstellung" im Münchener
Glaspalast ausgestellt wurde. Da hier ausdrücklich beschrieben
wird, dass der "Degen mit Brillanten für S. K. Hoheit
den verlebten Prinzen Adalbert von Bayern nach Angaben Hochdesselben
ausgeführt" wurde, schließt Klein, dies mache wahrscheinlich,
dass es sich um eben jenen Degen handelt.
König Ludwig II. besuchte im Oktober 1876 die Ausstellung und
kaufte verschiedene Gegenstände an. Da der Degen das ineinander
verschlungene "L", ein Monogramm des Königs, zeigt,
sieht Klein die Erklärung dafür gefunden zu haben, dass
König Ludwig diesen Degen dort gekauft haben muss.
Hofjuwelier Gottfried II Merk, der für König Ludwig II.
zahlreiche Pretiosen, wie Ordenskreuze, Bandschleifen und Hutagraffen,
anfertigte, soll das Monogramm angefügt haben.
An dem Degen müssen also mehrere Juweliere gearbeitet und Änderungen
vorgenommen haben. Das Bildprogramm des Degens dürfte jedoch
einige Zweifel in Bezug auf einen passenden Themenschmuck für
einen Degen zu einem christlichen Orden aufkommen lassen. Interessanterweise
ist aber auch auf keinem bekannten Bild König Ludwig II. eben
jener Degen abgebildet - sei es bei den Bildern der verschiedenen
Zeremonien (Ritterschlag, Festbankett, Kapitelsitzung) des Georgi-Ritterordens,
noch bei den Portraits des Königs im Georgi-Ritterornat, oder
selbst beim Bild des aufgebahrten Leichnams in der Hofkapelle der
Münchener Residenz.
Da Prinz Adalbert gemeinhin als der Lieblingsonkel König Ludwig
II. gilt, muss der Degen eine ausgesprochen private Bedeutung für
den König gehabt haben.
Die abgebildeten und im Detail erkennbaren Figuren sind zu einem
eindeutig erkennbaren Programm geordnet: "Der Ordnung der Elemente
als Bausteine des Lebens steht eine Ordnung der olympischen Götter
gegenüber. Das Wasser ruht in einer Vase, das Feuer darüber,
gekennzeichnet durch die eingerahmten Drachen, bildet den Abschluss
der räumlich nach vorne gerichteten großen Parierstange.
Auf derselben horizontalen Ebene sehen wir Erde und Luft mit der
gefangenen und der an der Leine fliegenden Taube. Über den
Elementen herrschen sieben der zwölf olympischen Götter:
in der nächsten Ebene steht Minerva, die Weisheit und Kampf
verkörpert, ihr gegenüber auf der Rückseite - durch
Fehlstellen nicht sicher zu deuten - steht Venus für sinnliche
Liebe und Friedfertigkeit. Merkur, der Vermittler, schafft durch
Bewegung vertikal die Beziehung zu Bacchus, der wiederum mit der
Gegenfigur Ceres Speise und Trank verkörpert. In der Sichtachse
stehen Apollo und Diana für Licht und Dunkel - wobei als Licht
nicht die sonst übliche Sonne, sondern ein Stern fungiert -
bzw. als Beschützer der Künste und aller Schwachen."
[M. Klein]
Der ausgestellte Degen ist großzügig und im Stil des
19. Jahrhunderts historisierend modifiziert. Er ist mit eingelegten,
fein punzierten Goldblechen geschmückt, auf denen transluzide
und opake Emails, aufgelötete Gold- und Silberfiligranverzierungen
sowie eine Vielzahl von Edelsteinen angebracht wurden. Darunter
sind nach einer Zählung 406 echte Brillanten, 85 Smaragde,
acht Saphire und 107 Rubine.
Auf 2000 m² Fläche zeigt die "Völklinger Hütte"
in Völklingen/Saar seit dem 20. Mai 2006 die Ausstellung "Macht
& Pracht. Europas Glanz im 19. Jahrhundert". Das Schwert
von König Ludwig II. ist eines von 230 Exponaten aus der Zeitepoche
1830 bis 1900. Die Privatsammlung ist in diesem Umfang erstmals
öffentlich bis zum 10. Dezember 2006 zu sehen.
Weitere Informationen zur Ausstellung:
Berlin, 01. Juni 2006
Bilder: © 2006 Weltkulturerbe
Völklinger Hütte, Landesarchiv Baden-Württemberg
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