König Ludwig II. von Bayern und die "Nibelungen"
Teil 2, Anmerkungen und Gedanken

Die Sagenwelt der Nibelungen in den Bildprogrammen der Schlösser.
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Zahlreiche Überlieferungen der Nibelungen
Nicht zuletzt dank Richard Wagner hat sich keine deutsche Heldensage
so lange lebendig erhalten wie die Nibelungensage. Im 19. Jahrhundert
versuchte man nicht nur, das "Nibelungenlied" in den Rang
eines deutschen Nationalepos zu erheben, man begann auch, die Nibelungensage
im nationalistischen Sinne auszuschlachten und sie imperialistischer
Politik dienstbar zu machen. Das berühmte, berüchtigte
und verhängnisvolle Wort der "Nibelungentreue" der
Deutschen muss Reichskanzler von Bülow (1909) zugeschrieben
werden.
Das Nibelungenlied (die "Edda" und die mittelhochdeutsche
Dichtung) war die Grundlage für Wagners "Ring". Für
keine der deutschen Heldensagen gibt es so zahlreiche literarische
Quellen wie für die Nibelungensage. Dichtungen aus ihrem Themenkreis
sind im deutschen Raum ebenso wie im europäischen Norden geschrieben
worden: in deutscher Sprache erzählen uns die Sage "Das
Nibelungenlied" (um 1200) und das "Lied vom Hürnen
Seyfried", im Altnordischen zahlreiche Lieder der "Edda",
dann in Prosa die "Thidreksaga", die "Völsungensaga"
und auch Snorri Sturlusons Dichterlehrbuch, die so genannte "Jüngere
Edda".
Auffällig und bezeichnend ist es allerdings, dass, im Gegensatz
zur Dietrichsage, Hinweise auf historische Quellen so gut wie ganz
fehlen. Dafür sind die literarischen Anspielungen auf die Nibelungensage
wieder recht zahlreich. So finden sich Hinweise im "Parzifal"
von Wolfram von Eschenbach und anderen deutschen Dichtern, aber
auch in angelsächsischen, spanischen und keltischen Dichtungen
spiegelt sich die Nibelungensage.
Richard Wagner selbst hat sich lange mit den verschiedenen Sagen
und Mythen beschäftigt. So geht die Rheingold-Sage auf den
Mythos von "Niflheim" zurück. Es ist nicht leicht,
allein durch die einzelnen, in sich geschlossenen und scheinbar
zusammenhanglosen Lieder der Edda Kontinuität und Folgerichtigkeit
aufzuspüren. Wagner aber stand dem Wesenszug der alten Sagenwelt
kongenial gegenüber, da er imstande war, den Extrakt aus diesem
mitunter verwirrenden Gestrüpp herauszuschälen und den
alten Geschichten eine neue Form zu geben; Wagners Ring-Tetralogie
ist eine Neu-Dichtung alter Mysterien-Wahrheiten, nicht nacherzählende
Dramatisierung. Die Geschichten wurden musikalisch hörbar und
neu erfassbar.
König Ludwig beschäftigt sich schon früh mit den
Nibelungen
Der
spätere bayerische König Maximilian II. Joseph (1811-1864)
hatte ab 1832 die Burg Hohenschwangau neben anderen mittelalterlichen
Sagenstoffen auch mit Motiven aus den Nibelungen-Geschichten ausgestattet.
Mit seiner Familie hielt er sich oft und gerne hier auf, so auch
sein Sohn Ludwig. Schon als junger Kronprinz hatte Ludwig die Ring-Dichtung
von Richard Wagner "auf dem Spiegel des Alpsees" bei Hohenschwangau
gelesen.
Und schon bald nach seinem Regierungsantritt (1864) ließ Ludwig
die Nibelungenfresken seines Großvaters im Königsbau
der Residenz München vollenden; die Visualisierung der Themen
Richard Wagners, namentlich des Rings, nahm konkrete Formen an.
Die Fresken von Michael Echter (der zu mehreren Opern Szenenillustrationen
fertigte) in dem zu den königlichen Wohnräumen der Residenz
führenden Theatinergang waren ein erster Versuch, Wagners Vorstellungen
in Bilder umzusetzen - diese wurden aber im Zweiten Weltkrieg zerstört
und so sind sie nur noch in Kopien aus Schloss Berg erhalten. Diese
Werke sollten ausdrücklich "nach Wagner" geschaffen
werden.
Richard Wagner würdigte Echters Bilder und war voll des Lobes
für Echters "unermüdlichsten und redlichsten Fleißes".
Weiter schrieb Wagner 1865 mit Hinweis auf Echters Entwürfe
an Ludwig: "Ich fasse nun wirklichen Muth zu seiner Arbeit,
und glaube, dass wir mit diesen Bildern eine wichtige Vorarbeitung
für die einstige Aufführung des Nibelungenwerkes erhalten."
König Ludwig II. selbst begriff die Fresken als "wirkliche
Vorarbeiten für die Aufführungen des Nibelungenwerkes"
und ließ mehrere Kopien anfertigen, um sie zu verschenken
und selbst auch überall betrachten zu können.
Ein Festspielhaus für Wagners Nibelungen
Der König hatte stets ein lebhaftes Interesse an allen Bayreuth
betreffenden Fragen, von Dekorationsentwürfen, über Kostüme,
bis hin zur Besetzung. Schon Wagners Libretti regten Ludwigs Phantasie
in zunehmendem Maß an und er wirkte später nicht unwesentlich
an der Fertigstellung und Umsetzung der Opern mit. Wagner selbst
würdigt den König in seiner Rede nach der Uraufführung
des kompletten Rings 1876 in Bayreuth als "Mitschöpfer
seines Werkes".
Der Komponist suchte im Vorwort des "Rings" 1863 verzweifelt
nach einem "fürstlichen Mäzen" - er fand ihn
im Jahr darauf in König Ludwig. Allerdings fand er in ihm eben
nicht nur den Geldgeber. Schon bei der ersten persönlichen
Begegnung der beiden im Mai 1864 - Ludwig war im März erst
König geworden - versicherte er dem Komponisten, "dass
sein großes Nibelungenwerk nicht nur seine Vollendung, sondern
auch seine Aufführung nach seinem Sinne finden werde".
Mit den Plänen für den Bau eines Münchener Festspielhauses
für die Aufführung des "Rings" kam es in Bayern
zu einem ersten öffentlichen Eklat. So hat auch dieser Vorfall
zu einem Rückzug des Königs in private Bereiche geführt.
Viele private Bühnen
Heute werden Ludwigs Bauten gerne auch als private Bühne seines
Lebens bezeichnet. Nicht umsonst stammen die Entwürfe der Schlösser
von Bühnenmalern, anstelle von Architekten, wie auch die Wandbilder
nicht von Künstlern (im engeren Sinne) geschaffen wurden, die
sich frei verwirklichen konnten.
In der architektonischen Umsetzung boten sich dem König gleich
mehrere Gelegenheiten zu eigener Gestaltung der Inhalte. Mit Ausnahme
von Schloss Herrenchiemsee (wobei hier sicher Literatur und Bilder
vorhanden waren) finden sich bei fast allen Standorten Reminiszenzen
an die Nibelungensage. Auch in Schloss Berg hingen sehr früh
Themenbilder mit Szenen aus Wagners Opern; so auch aus der Niflunga-Sage.
Schon 1865 schreibt König Ludwig in sein Tagebuch: "…
neuen Plan: Hohenschwangau…" und zwei Tage später:
"Walhalls prangende Burg".
Die Burg Walhall als zentrales Symbol
"So grüß ich die Burg, sicher vor Bang und Graun
- " - mit diesen Worten grüßt Wotan die Heimstatt
der Götter im "Rheingold", dem Vorabend des Bühnenfestspiels
"Der Ring des Nibelungen". Auf die Frage, was der Name
deutet, antwortet der Gott: "Was, mächtig der Furcht,
mein Mut mir erfand, wenn siegend es lebt, leg es den Sinn dir dar!"
Richard Wagner beschreibt diese Burg im "Rheingold" als
"eine Burg mit blinkenden Zinnen, die auf einem Felsgipfel
im Hintergrund steht. Schon in der zweiten Szene taucht die herrliche
Burg mit erhöhtem Glanz auf hohen Felsen auf. Die Burg Walhall
ist zwar nur in zwei Szenen - und auch hier nur schemenhaft - zu
erkennen. Das musikalische Motiv der Burg taucht aber in allen vier
Opern des "Rings" auf.
Ein Meisterwerk für die Werke des Meisters

Wie die Burg Walhall, so ragt auch die Königsburg Neuschwanstein
schimmernd weiß auf und zeigt die großartige Verwirklichung
der Worte Richard Wagners: "Vollendet das ewige Werk; auf Bergesgipfel
die Götterburg, prunkvoll prangt der prächtige Bau."
Im selben Jahr schrieb der König an Wagner: "Wotans Auge
fällt auf Walhall: ‚Vollendet das ewige Werk: auf Bergeshöhen
die Götterburg.'"
Am 5. September 1869 folgte die Grundsteinlegung von Schloss Neuschwanstein.
Die ursprüngliche Idee zum Bau der Neuen Burg Hohenschwangau
geht selbstverständlich zurück auf den Eindruck, den die
Wartburg bei Eisenach auf Ludwig machte. Aber schon 1867 griff der
König auf "Walhall" zurück, als er mit Wagner
"im trauten Erker" von Hohenschwangau saß.
Und wirklich steigt die "Götterburg" als echte Felsenburg
ohne Wassergraben und Ringmauern auf, so dass sie sich völlig
sturmfrei nach allen Seiten zeigt.
Neuschwanstein, die "Neue Burg Hohenschwangau", sollte
die Spitze der Verehrung Richard Wagners werden. Die Burg wurde
bis heute nicht vollendet und ist außen wie innen nur Fragmentwerk
geblieben. Dennoch kann man die fertigen Teile als Denkmal für
den verehrten Dichter, Komponisten, ja Philosophen Richard Wagner
verstehen. Die Burg selbst bietet mehrere Traditionsbezüge
zu Bauten und Stilen des deutschen Mittelalters. Der obere Hof ist
unzweifelhaft einem Szenenbild aus Wagners "Lohengrin"
gewidmet. Von Anbeginn an war das Projekt mit dem Gralsmythos in
Verbindung gebracht worden. Und weiter sollte die neue Burg auch
zugleich die Burg Tannhäusers sein. So vereinigt Neuschwanstein
alle Bühnenbilder aus "Lohengrin" und "Tannhäuser".
Die Nibelungen spielten eine weitere, wichtige Rolle für den
König. Szenen finden sich überall, sei es in Figuren,
Gemälden oder Wandbildern. Und so waren zunächst auch
für andere Räume, wie das Speisezimmer, die Nibelungen-Landschaften
vorgesehen. Dieses Thema beschränkte sich aber immer mehr auf
die Vorplätze, die sich keilförmig zwischen die östliche
und die westliche Hälfte des Palas eingeschoben finden.
Wie Neuschwanstein also von außen den Eindruck der Götterburg
"Walhall" erweckt, so ist die Nibelungen-Geschichte stets
eine wichtige Verbindung zu den Räumen mit weiteren Wagner-Themen.
Die "Übergänge", die König Ludwig bildlich
mit den Inhalten aus verschiedenen Nibelungensagen ausstattete,
waren also auch tatsächlich inhaltliche Übergänge
in Wagners Arbeiten.
Die Wände der Vorhallen im Palas von Schloss Neuschwanstein
ließ König Ludwig durch Szenen aus der Sigurd-Sage der
"Edda" schmücken. Ähnlich Richard Wagners "Siegfried"
weckt Sigurd die in einer Feuerlohe schlafende Walküre Brynhild.
Im Vorplatz des 3. Obergeschosses beginnt das Wandmalereiprogramm
des Schlosses; dieser ist wie der Vorplatz des 4. Obergeschosses
der Sigurd-/Gudrun-Sage ("Edda" nach der Nachdichtung
von Karl Simrock) gewidmet. Es war der ausdrückliche Wunsch
des Königs, dass sich die Bilder nicht auf Wagners "neu
verklärte Nibelungensage", sondern auf die ursprüngliche(n)
Sage(n) beziehen. Dies ist aber nicht im Widerspruch zu Wagners
Umsetzung der Sage zu verstehen, sondern vielmehr als Ergänzung.
Auch in dem zuerst fertiggestellten Torbau von Neuschwanstein greift
das Bildprogramm "Aus dem Leben eines Garzuns [Knappen]"
auf das Leben im Mittelalter und namentlich auch auf die Nibelungenfresken
der Münchener Residenz zurück. Der Torbau war als erstes
fertig (1873) - von hier aus überwachte der König den
Bau der Burg. Hier wohnte er wochenlang in einfach-geschmackvoll
eingerichteten Räumen, die heute leider nicht mehr öffentlich
zugänglich sind. Das Bildprogramm, das selten veröffentlicht
wird, zeigt eine Szenenreihe aus der Jugendzeit des Ritters und
dessen "Mannesdasein".
König Ludwigs Schloss Neuschwanstein ist wohl das privateste,
ja intimste seiner Bauten und kann ohne Zweifel als das Grab seines
Geistes und seines Glückes bezeichnet werden. Neuschwanstein
erscheint durch die Vermengung so zahlreicher Themen zu einer utopischen
Vision: "Die ganze Kosmologie auf einmal" [Evers].
Ludwig fühlte sich in seiner Burg sicher nicht als Wotan -
die Personen in der Handlung des Rings bieten ihm aber eine Vielzahl
an Identifikationsmöglichkeiten; so soll sich Ludwig bereits
in seiner Jugend gelegentlich mit Siegfried identifiziert haben.
Immer aber ist er nicht Akteur, nicht Mit-Spieler, sondern Zuschauer,
Mit-Empfindender. Besonders deutlich wird dies bei einem Projekt
nahe Linderhof.
Ein Blick in die Gefühlswelt: Die Hundinghütte bei
Linderhof
Am 22. September 1869 wurde "Das Rheingold" von Richard
Wagner im Münchner Nationaltheater erstmals aufgeführt
- gegen den ausdrücklichen Willen Wagners. Auch die "Walküre"
wurde am 26. Juni 1870 uraufgeführt, obwohl Wagner den Ring
erst zusammen mit den anderen Opern der Tetralogie in Bayreuth aufgeführt
wissen wollte. König Ludwig aber sehnte sich nach der szenischen
und akustischen Darbietung der Opern; endlich die Texte umgesetzt
zu finden.
Einen
besonderen Eindruck machte die Hundinghütte, das erste Bild
der Walküre auf Ludwig: "Das Innere eines Wohnraumes.
In der Mitte steht der Stamm einer mächtigen Esche, dessen
stark erhabene Wurzeln sich weithin in den Erdboden verlieren; von
seinen Wipfeln ist der Baum durch ein gezimmertes Dach geschieden,
welches so durchschnitten ist, das der Stamm und die nach allen
Seiten hin sich ausstreckenden Äste durch genau entsprechende
Öffnungen hindurchgehen; von dem belaubten Wipfel wird angenommen,
das er sich über dieses Dach ausbreitet..."
Die Hunding-Hütte steht bei Wagner zentral für die Textstelle:
"Ein Schwert verhieß mir der Vater, Ich fänd' es
in höchster Not." Zunächst geht es Siegmund, der
wehrlos in Hundings Hütte kommt, um die Gewinnung des Schwertes,
seiner Kraft; nicht-bildlich gesprochen bedeutet dies: die Herauslösung
des Ich-Bewusstseins aus dem Stammbaum des Blutes. Siegmunds Bewusstsein
beginnt sich zu regen. So wird auch Ludwig viel mehr als ein Bühnenbild
in der Hundinghütte gesehen haben. Die Szene, die in diesem
Ort spielt, ist eine sehr ergreifende: "In höchster Not"
fand Siegmund das Schwert, wie es ihm prophezeit wurde. Indem er
das Schwert nimmt, wird er selbst in die Spaltung der Götter
und der Welt verstrickt. Er selbst gerät in den Zwiespalt zwischen
der "heiligsten Minne" seiner göttlichen Abstammung
und der "sehnenden Liebe" seines Menschseins. Sie drängen
ihn unaufhaltsam zu "Tat und Tod". Die doppelte Not lässt
ihn mit seiner Ich-Findung die Zerrissenheit in seinem eigenen Wesen
erleben.
Die Szene in der Hundinghütte ist aber auch das Erleben des
Zwillingspaares, also Siegmunds und Sieglindes. Die Ich-Werdung
seiner mit einer (nicht näher bezeichneten) Menschenfrau gezeugten
Nachkommen, liegt für Wotan jenseits allen irdisch-leiblichen
Erlebens. Die zwischen den Geschwistern entbrennende Liebe erzeugt
jedoch das Erwachen des Ichs im Erdenbewusstsein des Menschen. Erst
ihr Sohn (Siegfried) wird aber "freier als Gott" (Wotan)
sein - der Glanz seines Heldentums wurzelt in der Reinheit seines
Leibes und der Unverdorbenheit seiner Seele.
Zu guter Letzt ist es Hunding - dies belegt auch das entsprechende,
in schwerem Blech ausgeführte brutal-ungeschlachte Musik-Motiv
-, der Gemahl Sieglindes, der von der Jagd in seine Hütte zurückkehrt
und den von ihm Verfolgten, Siegmund, nun in seinem eigenen Haus
vorfindet. Er symbolisiert damit also auch den Ausdruck der Angst
vor Verfolgung und Not.
Während der ersten Bayreuther Festspiele befahl König
Ludwig II. den Bau der Hundinghütte in der Nähe von Schloss
Linderhof. Grundlage war hier aber nicht die Bayreuther Dekoration,
sondern der Entwurf Christian Janks zur Münchener Uraufführung.
Ludwig leitet mit "seiner" Hundinghütte quasi eine
Reform des Wagner-Bühnenbilds ein, nicht mehr nur gemalte Hintergrundbilder
zu verwenden, sondern gleichzeitig in das Bild, in die Szene eintauchen
zu können. Die weiteren Bühnenbilder der "Walküre"
schuf ihm übrigens die Natur selbst (Felsen, Wald).
Um sich in die Welt des "Rings" zu versetzen, bedurfte
Ludwig dann aber keiner weiteren gebauten Bühnenbilder: die
Szenen des 2. und 3. Akts der Walküre, das "wilde Felsengebirge"
und der "Gipfel eines Felsberges", sowie die übrigen
Landschaften des Rings fand er bei seinen Spaziergängen und
Fahrten in die Umgebung Linderhofs in der Natur vor.
Richard Wagner: Ludwigs Genius in Wort und Ton
Die Werke Richard Wagners, seine Musikdramen, seine zahlreichen
musiktheoretischen, philosophischen, politischen und belletristischen
Schriften, wie "Oper und Drama" (1851) und "Das Kunstwerk
der Zukunft" (1850), vor allem auch seine Autobiografie "Mein
Leben" (1880), begeisterten Ludwig und er nahm sie euphorisch
- zuweilen sehr kritisch - auf.
Inhaltlich sind Wagners Werke auch und gerade Teil der Revolutionserfahrungen
(Dresden, Bakunin) und flossen ebenso in den "Ring" ein,
wie Ludwig Feuerbachs Naturalismus, bis hin zu Arthur Schopenhauer,
der Philosoph des Pessimismus und der Erlösung. Als lückenloser
Zusammenhang zeichnet das Werk Abläufe und Prozesse, Gedankengänge
und Visionen voraus, die stetig laufen und sich dabei gleichmäßig
in eine Richtung verändern. Sein gesamtes späteres Werk
greift in gewisser Form auf den "Ring" zurück und
die Inhalte führen auch wieder hin.
"Der Ring des Nibelungen" - ein Schlüssel
In der Opern-Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" von
Richard Wagner stehen die Nibelungen in der "Eingeweide der
Erde" als arbeitendes Volk. Über ihnen der unproduktive
Feudalismus der Riesen. "Aber die Riesen verstehen nicht, ihre
Macht zu nützen; ihren plumpen Sinnen genügt, die Nibelungen
gebunden zu haben." Über all dem wachen die Götter.
Doch die Humanität der Götter ist letztlich machtlos.
Auch sie finden ihre Erlösung im freiwillig gewählten
und unausweichlichen Tod und Untergang. Der "Ring" ist
zugleich eine kritische Deutung der Gesellschaft und des Verhaltens
des menschlichen Individuums.
Der "Ring des Nibelungen" ist - wie kein anderes Werk
- der Schlüssel zu Richard Wagners Kontinuität und Diskontinuität
des Denkens. Wagner hat insgesamt 26 Jahre (mit Unterbrechungen)
an dem Projekt gearbeitet und ist in seinen Werken immer wieder
auf die Themen zurückgekommen.
In ganz ähnlicher Weise wiederum hat König Ludwig die
Wagner'schen Texte und Dramen mit den alten Sagen wieder in Zusammenhang
und damit bildlich wahrnehmbar gebracht.
Andere Autoren haben Wagner später in ihren Texten interpretiert,
allen voran Friedrich Nietzsche (namentlich "Die Geburt der
Tragödie" oder "Richard Wagner in Bayreuth")
- man kann nun wohl ohne Übertreibung behaupten, dass König
Ludwig in seinen Bauten und hier insbesondere in der Raumausstattung
(Bildprogramme) wesentlich zur Interpretation von Wagners Werken
beigetragen hat.
Michael Fuchs, Berlin, 31. Dezember 2006
Teil 1: Die Szene als Modell
Die Bühnenbildmodelle des Richard-Wagner-Museums und der
‚Ring des Nibelungen' in Bayreuth 1876-2000
zur
Buchbesprechung
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