Buchbesprechung
Hans-Christian Huf/Matthias Unterburg:
"Sphinx Geheimnisse der Geschichte /
Ludwig II. Tod des Märchenkönigs"
Wilhelm Heyne-Verlag, München 2004
ISBN 3-453-12003-5
Besprechung
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Zum 159. Geburtstag des bayerischen Königs Ludwig II. strahlte
der Kultursender ARTE einen knapp einstündigen Beitrag aus
der Serie Sphinx - Geheimnisse der Geschichte mit dem
Titel Ludwig II. Tod des Märchenkönigs
aus. Der Beitrag wird wie alle Sphinx-Folgen regelmäßig
wiederholt.
Das Begleitbuch zu der Serie beschäftigt sich in Ausgabe 7
mit den Themen: Vercingetorix, Die Templer,
Die Rache des Regengottes, Shogun, Marie
Antoinette und Ludwig II. jedes Kapitel
stammt von einem anderen Autor. Der Rahmen spannt also wirklich
wieder einmal einen großen Bogen der Geschichte von der grauen
Vorzeit bis fast ins 20. Jahrhundert. Die Themen des Buches sind
durchweg auf hohem Niveau behandelt und eignen sich ideal als Lehrmittel
für einen lebhaften Geschichtsunterricht in den Schulen.
Das uns hier interessierende Kapitel über König Ludwig
II. stammt von dem Münchener Regisseur und Autor Matthias Unterburg,
der bereits unter anderem zu den Themen 2000 Jahre Christentum
und Hitlers Frauen: Marlene Dietrich geschrieben hat.
Das Buch selbst ist recht aufwändig verarbeitet und enthält
interessanterweise (allerdings wohl eher zufällig) gleich zwei
weitere Themen, mit denen sich König Ludwig selbst intensiv
beschäftigt hat: zum einen die von ihm verehrte Königin
von Frankreich, Marie-Antoinette, sowie zum anderen die Templer
und die Kreuzzüge.
Jedes Kapitel wird im Anhang durch ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis
ergänzt; das zum Tod des Märchenkönigs
enthält 20 Bücher und Texte von 1924 bis 2003. Das abschließende
Register ist kapitelübergreifend und ebenfalls sehr ausführlich.
Mit dem vielleicht etwas sarkastisch anmutenden Nietzsche-Zitat
überschreibt der Autor das Kapitel über den Tod Ludwig
II.:
Wer hier hinab will, wie schnell schluckt den die Tiefe!
Vielleicht ist es aber doch nicht so abwegig, liest man den Text
aus seinem Zarathustra weiter: Aber du, Zarathustra, liebst
den Abgrund noch, tust der Tanne es gleich? - Die schlägt Wurzeln,
wo der Fels selbst schaudernd zur Tiefe blickt -, die zögert
an Abgründen, wo Alles rings hinunter will: zwischen der Ungeduld
wilden Gerölls, stürzenden Bachs geduldig duldend, hart,
schweigsam, einsam ...
Naturgemäß hält sich der Text an den TV-Beitrag;
ein bisschen Effekthascherei und Kurzatmigkeit, aber auch wie ein
spannender Krimi aufgebaut. Der lebendige Eindruck stellt sich auch
ein, wenn man den Fernsehfilm nicht gesehen hat.
Dieser Eindruck wird durch die zeitgenössischen Fotos (z.
B. den heute freigegebenen Teil des Schlossparks von Berg), gemischt
mit historischen Bildern und gespielten Szenen, wunderbar unterstützt.
Nach zwei Abschnitten hat der Leser das Gefühl, sich vor seinem
geistigen Auge am Tatort des Jahres 1886 zu befinden.
Hier lässt der Autor die Ermittlungen beginnen.
Er bedient sich hier den Recherchen des Kriminaloberrats Wilhelm
Wöbking, der 1986 ein erstes umfassendes Werk aus kriminalistischen
Ermittlungen vorlegte. Dazu hat dieser vor nunmehr fast 20 Jahren
Akten, Protokolle, Gutachten auseinandergenommen und studiert.
Um alle Einflüsse auf den Menschen Ludwig von Wittelsbach
und die Umstände im Jahre 1886 nachvollziehen zu können,
schildert Unterburg nun in drei Abschnitten kurz aber prägnant
dessen Lebensgeschichte; hierbei zitiert er kurz aber prägnant
dessen Lebensgeschichte und lässt dabei immer wieder Zitate
einflie-ßen von anerkannte Autoren, die über König
Ludwig geschrieben haben, so den Historiker Friedrich Prinz, den
Journalisten Rudolf Reiser, aber auch den Psychoanalytiker Wolfgang
Schmidbauer.
Mit Wöbking kehrt der Autor zurück zur Spurensuche
an die Stelle, an der die Leiche des zuvor entmachteten Königs
gefunden worden ist. Seine Aussagen verknüpft er mit den recht
zweifelhaften Ansichten des historischen Autoren und Arzt Dr. Raban
Liertz, aber auch mit dem Standardwerk des großen Biografen
Gottfried von Böhm. Auch mit den Erkenntnissen, die die 1999
versteigerten persönlichen Briefen Ludwigs an seinen Vertrauten
Hesselschwerdt vervollständigen, bekommt der Leser einen Einblick
in die Gefühle des Königs: Wagner hat er geliebt
aber vor der Liebe einer Frau hatte der König Todesangst.
Damit kommt der Autor zur Enthüllung des größten
Geheimnis: Ludwig II. war homosexuell. Es ist und auch
das beschreibt er außerordentlich unkompliziert allerdings
nicht die sexuelle oder erotische Neigung des Königs, sondern
Ludwigs Angst vor dem schweren Vergehen gegen die göttlichen
Gesetze, eine(r) krankhaften Abartigkeit und eine(r)
strafbare(n) Verfehlung. In diesen Ansichten
unterschieden sich selbst Demokraten, Sozialrevolutionäre,
Monarchisten und Christen nur wenig; zum Teil üben sie ihren
schmerzlichen Druck ja bis heute noch aus. Der Kern des Todesfalls
mündet also korrekterweise in Unterburgs Frage: Seine
(Ludwigs) Schuldgefühle müssen ungeheuer auf ihm gelastet
haben. Ist er deswegen am Abend des 13. Juni 1886 in den Tod geflüchtet?
Oder hat man ihn ermordet, um sein größtes Geheimnis
für immer zu bewahren?
Viele Ludwig-Interessierte halten einen Mord immer noch für
sehr wahrscheinlich, auch wenn es hierfür keinerlei belegbare
Beweise gibt. Aber auch hier lässt der Autor einige Experten
zu Wort kommen; so den durch eine Vielzahl an Publikationen bekannten
Hobby-Historiker Alfons Schweiggert, aber auch den Starnberger Antiquar
und Museumsbetreiber Paul Heidemann.
Doch trotz alledem: Wilhelm Wöbking hält dagegen;
Mord sei auszuschließen, sagt er, vor allem durch Schussverletzungen.
Wieder berichtet der Autor aus Ludwigs Leben, erzählt über
Die Lust am Bauen, Krieg und Frieden und
Technik für einen Träumer, um dann wieder
zur lautlosen Büchse und physikalisch-technischen
Versuchen auf dem Schießstand in das Jahr 2004
zurückzukehren.
Immer noch an der Fundstelle im Starnberger See, wo heute die Votivkapelle
zu Ludwigs Andenken steht, erklärt Wilhelm Wöbking die
Ermittlung abgeschlossen. Es ist also klar, dass es
bis heute niemandem gelungen ist, den wirklichen Ablauf der Geschehnisse
am 13. Juni 1886 zu offenbaren. In den Schlussfolgerungen
fasst der Autor Matthias Unterburg die verschiedenen Erklärungsversuche
noch einmal zusammen: war es Mord (an Gudden) und Selbstmord? Ist
er (Ludwig) ertrunken? Starb er an Kreislaufversagen? War es ein
Mord, ja ein Mordkomplott? Ein Fluchtversuch? Doch wohin?
Das Leben König Ludwig II. war alles andere als ein
schönes Märchen. Er hinterließ die Geschichte eines
Lebens voller Widersprüche.
Die Sphinx, die geheimnisvolle Namensgeberin der erfolgreichen
ZDF-Serie, steht also auch bei dieser schillernden Persönlichkeit
völlig zu Recht als Sinnbild des ungelösten Rätsels.
Eine spannende Geschichte locker erzählt und doch tiefgründig
recherchiert und mit dem Angebot vieler Erklärungs-Varianten.
Berlin, 28. November 2004
ludwig-zwo@michaelfuchs.de
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