Buchbesprechung
"Neuschwanstein. Traumschloss des Märchenkönigs"
Autoren: Isabella Schinzel, Markus Richter
Umfang: 64 Seiten, durchgehend farbig bebildert, Taschenbuch
Verlag: TopSpot Guide Verlag GbR, Hamburg 2006
ISBN 3-938722-16-9
Preis: € 4,50
Besprechung
als PDF-Dokument
Mit dem Motto "Wissen ist für alle da!" hat der 2004
in Hamburg gegründete Verlag TopSpot Guide nicht untertrieben.
Der kleine Verlag hat inzwischen eine ganze Reihe von Museumsführern,
so genannten Guides, im Angebot. Diese Hefte wirken allesamt frisch
und modern und sind dabei anregend tiefgründig. Der Verlag
legt "besonderen Wert auf die Vermittlung von Wissen in allgemein
verständlicher Form": fundierte Information, schnelle
Orientierung und wissenswerte Details.
Das Ganze wird liebevoll präsentiert und kritisch, aber aufgelockert
dargestellt. Die dreidimensionale Orientierung vermittelt Ein- und
Überblicke durch perspektivische Schnittzeichnungen. Auch die
Hintergründe werden in dem kleinformatigen Heft sehr übersichtlich
vorgestellt. Lebendige, herzlich umgesetzte Illustrationen stellen
Szenen aus dem täglichen Leben der entsprechenden Zeit dar
und wirken sehr authentisch. Zahlreiche farbige Fotos zeigen die
schönsten Ansichten und die interessantesten Details.
Die 1971 geborene Psychologin und Journalistin Isabella Schinzel
hat zusammen mit dem ein Jahr jüngeren Markus Richter kürzlich
einen Guide für das Schloss Neuschwanstein erstellt; er ist
seit 1996 als Verwaltungsbeamter bei der bayerischen Schlösserverwaltung
und seit 2001 als stellvertretender Kastellan von Schloss Neuschwanstein
angestellt und bietet dort auch regelmäßig Führungen
an.
Es sind ja inzwischen zahlreiche Bücher, auch Monographien,
zum Schloss erschienen - und dennoch ist dieses Heft etwas ganz
besonderes. Dr. Elmar D. Schmid von der Museumsabteilung der Schlösserverwaltung
hat zwar selbst mehrere Publikationen zu den Schlössern König
Ludwigs veröffentlicht, ist aber für die neue Reihe (noch)
nicht als Autor tätig; dessen ungeachtet hat er die Autoren
mit seinen Sachkenntnissen unterstützt.
Das Heft beginnt mit der obligatorischen "Führung
durch Neuschwanstein". Als Überblick wird dem Leser -
nach einer doppelseitigen Luftaufnahme - eine Modellansicht geboten,
die auf einer computeranimierten Umsetzung basiert. Diese Ansicht
ist von Detailansichten umgeben, bei denen leider am südlichen
Treppenturm die Säulen fälschlicherweise offen und zu
groß geworden sind, und dafür die Kemenate um zwei Drittel
beschnitten wurde.
Die folgenden Einblicke ermöglichen durch aufgeschnittene Wände
eine hervorragende Orientierung; man kann den Räumen dann sehr
leicht individuell folgen, da den Zahlen und Buchstaben die entsprechenden
Seiten zugeordnet sind.
Auf den nächsten Seiten folgt man dann dem üblichen Weg
der Führungen: vom unteren Innenhof, vorbei an den Räumen
der Diener, über den Treppenturm in den unteren Vorplatz; immer
begleitet mit Hinweisen auf Details. Weiter geht's zum Thronsaal,
dann zu den "privaten" Räumen im 3. Obergeschoss:
Speise-, Schlafzimmer, Kapelle, Ankleide- und Wohnzimmer und durch
die Venusgrotte, vorbei am Wintergarten, zum Arbeitszimmer und durch
das Adjutantenzimmer wieder zum Vorplatz. Über die Treppe zum
oberen Vorplatz werden dann der Sängersaal und die Sängerlaube
abschließend vorgestellt.
Bei den Beschreibungen der Räume sind immer auch Ausschnitte
einzelner Objekte (Kandelaber, Skulpturen, Leuchter), Gemälde
oder z. B. Aussichten vom Söller zu finden, die einzeln beschrieben
werden und - falls im Heft noch an anderer Stelle erläutert
- mit Hinweis auf entsprechende Seiten versehen sind.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Sagen und Legenden,
mit denen jeder Raum ausgefüllt ist. Dieser Teil erscheint
besonders gelungen, da er doch meist in anderen Begleitheften zu
kurz kommt und auch in den Führungen immer nur in aller Eile
abgefertigt werden kann. Die Sagen, die König Ludwig in der
Burg darstellen ließ, beziehen sich ja nicht auf die von Wagner
in seinen Opern verwendeten Fassungen, sondern auf die überlieferten
ursprünglichen Fassungen; auch dies wird hier berücksichtigt,
wenn auch z. B. im "Lohengrin" zum Schluss die oft "vergessenen"
Kinder entfallen sind.
Als zentrale Sage (aus dem unteren und oberen Vorplatz) wird zunächst
von der Sigurd- und Gudrunsage berichtet; es folgen "Tristan
und Isolde" (Schlafzimmer), Tannhäuser (Arbeitszimmer),
Parzival (Sängersaal) und Lohengrin (Wohnzimmer).
Zur Geschichte des Schlosses findet der Leser zahlreiche
Hintergrundinformationen zum Bau sowie zur Biographie des Königs.
Hier findet man Entwurfszeichnungen und auch die Wartburg als Vorbild.
Nicht mehr realisierte Projekte im Haus, wie der maurische Saal,
das Bad oder die kleine Gartenanlage werden alle erwähnt, der
abgebildete Bergfried ist aber leider spiegelverkehrt. Die Geschichtsseiten
werden begleitet von einer Zeitleiste mit Stichworten und kleinen
passenden Abbildungen.
Schloss Neuschwanstein war ja kein typischer Repräsentationsbau
und so fiel das "tägliche Leben" in dem Privatbau
recht spärlich aus. Das Heft beschreibt sehr realistisch die
funktionsfähige und für die damalige Zeit sehr moderne
Küche; hier sei noch der vollautomatische Drehspieß erwähnt,
der ja auch bei jeder Führung am Abschluss die Menge begeistert.
Zum Schluss des Heftes findet der Leser auf der ausklappbaren Umschlagseite
die Grundrisse der entscheidenden Ebenen (Erdgeschoss wie
3. und 4. Obergeschoss) neben dem bereits bekannten Modell.
Das ganze Werk (das praktische Taschenformat täuscht doch sehr
über den großartigen Inhalt) ist derart ersprießlich
geworden, dass man den Autoren gar nicht genug danken kann. Selten
findet man in einem Heft so viel als "schnellen Begleiter"
bei der Führung, zum Vorbereiten oder anschließenden
Nach-Lesen und "immer-wieder-Nachschlagen".
In der gleichen Reihe ist übrigens neben anderen bereits "Schloss
Linderhof - Königsschloss und Parkanlagen" und "Welterbe
Wartburg" erschienen; in Arbeit sind: "Heldensagen von
Neuschwanstein" und "Schloss Nymphenburg".
Alle Hefte kosten derzeit 4,50 Euro und sind in den Museumsläden
der Schlösser sowie in regionalen Buchläden erhältlich.
Michael Fuchs, Berlin, 30.12.2006
ludwig-zwo@michaelfuchs.de
|