Besprechung
von Ausstellung und Begleitbuch
"Bayerns Krone 1806 - 200 Jahre Königreich Bayern."
in der Residenz München
Herausgeber: Johannes Erichsen und Katharina Heinemann
Umfang: 312 Seiten
Verlag: Hirmer Verlag, München 2006 (broschiert)
ISBN 3-7774-3055-2
Preis: 19,50
Besprechung
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Im Oktober 2005 fand auf dem Trafalgar Square im Herzen Londons
ein modernes Fest mit Lasershow zu Ehren des englischen Seehelden
Lord Horatio Nelson statt und die britische Marine setzte unter
Mitwirkung internationaler Geschwader ein imposantes Seegefecht
in Szene. In England feierte man mit Nelsons restauriertem Flaggschiff
"Victory" ein Ereignis, das vor 200 Jahren die britische
Seehoheit gesichert hatte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte
der Kaiser der Franzosen, Napoleon Bonaparte, seine Macht
auf dem europäischen Kontinent zielstrebig ausgebaut. Lord
Nelson hatte mit dem Sieg der englischen Flotte die Invasionspläne
Napoleons endgültig beendet - er gilt bis heute als einer der
größten Helden der britischen Geschichte und Wegbereiter
des endgültigen Sieges bei der Schlacht von Waterloo, der Befreiung
Europas von Napoleon.
Anders als in anderen Staaten Europas, die Napoleon bekämpften,
hat man in Bayern durchaus von der Blüte der "neuen Zeit",
der Ära Napoleons, profitieren können; einschneidende
Reformen wurden eingeführt, wie bspw.: gleichmäßige
Verteilung von Rechten und Pflichten, effizientere Staats-Organisation
und umfassende Integration der alten und neuen Landesteile. Bayern
ist heute eines der ältesten Bundes-Länder; ja sieht sich
heute als "einziges deutsches Bundesland, das über so
ungebrochene Traditionen verfügt". In Bayern steht das
Jahr 2006 ganz im Zeichen der "Krone".
Am Morgen des 1. Januar 1806 versammelte sich eine kleine Gruppe
von Würdenträgern des Kurfürstentums Bayern in der
Münchener Residenz zu einem kurzen Staatsakt: Der seit
wenigen Jahren herrschende Kurfürst aus einer Nebenlinie der
Wittelsbacher hatte sich entschlossen, den Königstitel von
Napoleons Gnaden anzunehmen und damit die Unabhängigkeit Bayerns
zu begründen.
Die bayerischen Kurfürsten hatten schon seit längerem
eine Rangerhöhung angestrebt, vor allem seit die sächsischen
Kurfürsten 1697 die polnische Königskrone, die brandenburgischen
Kurfürsten 1701 die Königswürde für Preußen
und das Haus Hannover 1714 die englische Krone erhalten hatten.
Bayern hatte sich 1805 mit dem erst kurz vorher (im Dezember 1804)
gekrönten Kaiser der Franzosen gegen Österreich verbündet
und konnte nun - nach den militärischen Erfolgen - Nutzen daraus
ziehen. Bayern wurde zur dritten Macht in Deutschland.
Zahlreiche neue Publikationen greifen das Jubiläum auf und
widmen sich der Erhebung Bayerns zum Königreich. Zentraler
Höhepunkt ist die große Sonderausstellung der
Bayerischen Schlösserverwaltung in München, die seit Ende
März 2006 in der Residenz gezeigt wird. Schon am ersten Ausstellungstag
kamen über 1.300 Besucher, nach nur einem Monat wurden schon
50.000 gezählt. Anfang Juni 2006 wurde der 100.000ste Besucher
begrüßt und die Residenz hat damit schon ein Drittel
der Museums-Besucher des gesamten Vorjahres angelockt.
Der bayerische Staatsminister der Finanzen, Prof. Dr. Kurt
Faltlhauser, der auch das Grußwort des Begleitbuchs zur Ausstellung
verfasst hat, sieht in der wachsenden Besucherzahl einen Beweis
dafür, dass "erlebbare Geschichte am Originalschauplatz
ein Publikumsrenner sein kann". Zum Finanzressort gehört
auch die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten
und Seen. Die Ausstellung soll auch dazu beitragen, die Münchener
Residenz noch stärker öffentlich bekannt zu machen.
Aber auch Kritik wurde laut. So wird in Bayern beanstandet, dass
andere Museen, Denkmalpflege und Unterricht zu kurz gehalten werden
und zu viele Mittel in werbewirksame Traditionspflege gesteckt werden.
Edmund Stoiber mahnte in seiner Eröffnungsrede beim
Festakt vor zahlreicher regionaler Prominenz die Dringlichkeit von
Reformen an und betonte, dass notwendige und manchmal schmerzhafte
Entscheidungen getroffen werden müssten; so hilft mitunter
die Tradition der Vergangenheit, von den Schwierigkeiten der Gegenwart
abzulenken.
Schwerpunkt der Ausstellung ist die Lage Bayerns um 1806,
also die Zeit nach der Französischen Revolution, dem Aufstieg
Frankreichs zur Großmacht und dem Zerfall des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation. Das umfangreiche Begleitbuch zur
Ausstellung ist im Hirmer-Verlag erschienen und bietet reichhaltigen
Lesegenuss auch über das Ende der Ausstellung hinaus. Dieses
Buch beschreibt Glanz, Probleme und Politik des frühen Königreichs
um 1806. Repräsentation und Schwierigkeiten der frühen
Monarchie zwischen 1799 und 1818 werden lebendig.
Die Hälfte des Buches umfasst der Katalog, dem fünf meist
farbig bebilderte Aufsätze (deren Autoren leider nicht näher
vorgestellt werden) und ein Nachdruck der historischen Beschreibung
der Dekoration zum 25-jährigen Regierungsjubiläums Max
I. Josephs von 1824 vorangehen.
Die Projektleitung hatten Vizepräsident Dr. Johannes Erichsen,
Leiter der Museumsabteilung der Schlösserverwaltung und Katharina
Heinemann M.A. inne; beide haben schon in mehreren Projekten erfolgreich
zusammen gearbeitet.
Im ersten Aufsatz schreibt Prof. Dr. Ferdinand Kramer vom Münchener
Institut für bayerische Geschichte über den Weg Bayerns
zur Königswürde.
Ihm folgt Dipl. Ing. Franziska Dunkel, Projektmitarbeiterin der
LMU, mit "Revolution von oben - die Reformen der Ära Montgelas
in Bayern".
Dr. Sabine Heym, Referentin der Museumsabteilung der Schlösserverwaltung,
stellt die "Prachtvolle(n) Kroninsignien für Bayern -
aber keine Krönung" vor.
Frau Dr. Brigitte Langer, ebenfalls Referentin der Museumsabteilung
der Schlösserverwaltung, berichtet in ihrem Aufsatz "Vom
kurfürstlichen zum königlichen Herrschersitz" über
den Wandel der Münchener Residenz; Heym und Langer haben ihre
brillanten Kenntnisse bereits in 2002 mit der Ausstellung und dem
dazu gehörenden Katalog "Pracht und Zeremoniell - Die
Möbel der Residenz München" bewiesen.
Den oben schon erwähnten Nachdruck der Dekorationsbeschreibung
von 1824 leitet Katharina Heinemann mit ihrem Aufsatz "Illuminationen
in München in der Regierungszeit König Max I. Josephs"
ein.
Leider sind die durchlaufend nummerierten Exponate im Katalogteil
meist nur kurz beschrieben, weil die meisten Objekte - so die Autoren
- in anderen Publikationen umfassend erläutert werden. Einleitungstexte
führen aber sehr schön in die Hintergründe und Zusammenhänge
ein.
Den Abschluss des Begleitbuches bildet die umfangreiche Literaturliste.
Leider fehlt aber ein Stichwortverzeichnis zum schnellen Nachschlagen
- denn das Buch eignet sich hervorragend als Einführung in
die geradlinige Entwicklung der 112 Jahre des 200jährigen Königreich
Bayerns.
Die mit vielen Sachinformationen gespickte und mit prächtigen
Exponaten angereicherte Ausstellung und das dazu gehörende
Begleitbuch beleuchten die Umstände der Bündniswahl und
den Beginn des modernen Verfassungsstaates und verdeutlichen die
Rolle der Herrscher als Auftraggeber vieler Kunstwerke und als Bauherren
herausragender Architektur. Dargestellt werden aber auch die Schwierigkeiten
des Flächenstaates und seiner Verwaltung. Gezeigt werden Möbel,
Textilien, Gemälde, Urkunden, Büsten - die Kroninsignien,
bestehend aus Krone, Schwert, Zepter und Reichsapfel, bilden die
herausragendsten Stücke.
Erstmals werden in der Ausstellung - als Bestandteile der Kroninsignien
- die Original-Krönungsmäntel gezeigt, die 1806/07
als Zeichen der bayerisch-französischen Allianz angefertigt
wurden. Der Mantel des Königs (Maximilian I. Joseph) ist exakt
nach dem Schnitt des Mantels von Napoleon gefertigt, den dieser
beim Krönungsakt in Notre-Dame de Paris trug. Das damalige
Finanzministerium hielt übrigens den Preis für zu hoch
und nicht erforderlich. Die bayerische Version des Königs wurde
bisher im König-Ludwig-Museum in Herrenchiemsee gezeigt, der
etwas kleinere Mantel der Königin wurde sorgsam deponiert.
Im Konferenzzimmer sind die Krönungsmäntel passend mit
dem entsprechenden Bildnis König Maximilian I. Joseph inszeniert.
Die Münchener Residenz war nicht nur Schauplatz der Inthronisierung
(eine klassische Krönung hat ja - auch später - bei den
bayerischen Königen nie stattgefunden), sondern auch jahrhundertelang
Regierungssitz der bayerischen Herzöge, Kurfürsten und
Könige aus dem Hause Wittelsbach.
Mit einbezogen wurden auch die Räume der Schatzkammer,
in der auch die Kroninsignien neu präsentiert werden. Diese
werden ergänzt durch wertvolle Leihgaben jener Zeit aus ganz
Europa.
Nach dem verlorenen Russland-Feldzug Napoleons 1813, bei dem auch
Bayern viele tote und verwundete Soldaten zu beklagen hatte, wechselte
das Königreich Bayern nebenbei, eine Woche vor der Völkerschlacht
von Leipzig, zu den Alliierten und überstand so den Untergang
des Kaisers, zu dessen Füßen sie einst lagen und konnte
so im "teutschen" Chor wieder mitjubeln. Im 19. Jahrhundert
wurde schließlich Preußen zum europäischen Sieger
und Bayern zum Vasallen.
Mit Bayern stieg 1806 auch Württemberg zum Königreich
auf und aus dem Markgrafen von Baden wurde ein Großherzog.
Das Königreich Bayern bestand bis 1918 und ging noch vor dem
Deutschen Kaiserreich unter. Der Staat Bayern feiert heuer sein
200-jähriges Kron-Jubiläum in fast den gleichen Grenzen
des Jahres 1806, wenn auch als Demokratie und ohne "Königreich".
Die Sonderausstellung "Bayerns Krone 1806 - 200 Jahre Königreich
Bayern" wird nun aufgrund des großen Besucherinteresses
um zwei Wochen bis Sonntag, 13. August, verlängert. Ursprünglich
sollte der 30. Juli der letzte Öffnungstag der Sonderausstellung
sein. Bisher haben fast 150.000 Besucher die Ausstellung gesehen.
Die Ausstellung der Bayerischen Schlösserverwaltung in der
Münchner Residenz ist
bis Sonntag, 13. August, täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.
Berlin, 19.07.2006
ludwig-zwo@michaelfuchs.de
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