Homepage
Profil/Lebenslauf
Rezensionen/eigene Projekte
Schnappschüsse
gute Seiten

 

Buchbesprechung

Alfons Schweiggert: „Es war einmal ein Märchenkönig“
Maximilian Dietrich Verlag, Memmingen, 2004
ISBN 3-87164-142-1

Besprechung als PDF-Dokument



Von dem 1947 geborenen Autor Alfons Schweiggert finden sich derzeit etwa 192 Titel, die er verfasst bzw. an denen er zumindest mitgewirkt hat. Darunter findet man einige Bücher über seine Wahlheimat München, über Bayern und pädagogische Schriften. Er studierte Psychologie, Philosophie und Pädagogik, war sechs Jahre Lehrbeauftragter an der Universität München und ist beruflich als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in München beim Referat „Förderschwerpunkt Lernen“ tätig. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Literatenvereinigung „Turmschreiber“. Weiterhin schreibt er fast schon regelmäßig über König Ludwig II. von Bayern.

Nach den wirklich sehr gelungenen und gründlich recherchierten Büchern über König Ludwig II. als „Der Kronprinz“ (1995) und über dessen Bruder Otto als „Schattenkönig“ (1992) – beides sind wertvolle und in ihrem Fachgebiet bisher nicht erreichte Standardwerke! – ist nun ein Taschenbuch erschienen, das in der Kitsch-Tradition seines Buches „König Ludwig Superstar“ von 1985 zu stehen scheint.

Nach Bekunden des Verlages handelt es sich bei dem neuen Buch um ein Kinderbuch für „alle kleinen, aber auch großen Märchenkönigfäns“ (welch sonderbare Blüten „denglisch“ treiben kann…), wobei von Anfang an nicht klar ist, ob es sich um ein Märchen- oder ein Sachbuch handelt. Das Buch enthält keinerlei Quellenangaben, ja nicht einmal ein Literaturverzeichnis.
Im Text befinden sich aber derart viele geradezu als selbstverständlich dargestellte Behauptungen, die zum ersten Mal in dieser Form auftauchen, dass es schon sinnvoll, ja unerlässlich wäre, unterscheiden zu können, was echt und was erfunden ist. Gerade für einen jungen Leser ist es daher sehr schwer, dieses Buch möglicherweise als Einstieg zu nehmen, vor allen Dingen, weil auch weiterführende Literatur-Tipps fehlen.

Die Abbildungen im Buch sind – wie bei Schweiggert üblich – selbst gezeichnet und damit von entsprechender Qualität und kindlicher Naivität, können daher aber als „neu“ oder teilweise „unveröffentlicht“ bezeichnet werden.
Etwas geschmacklos werden Fotomontagen und Zeichnungen bei Schweiggert, wenn er beispielsweise die wahrsagende Zigeunerin mit dem Bild der Hexe aus dem Märchen „Hänsel und Gretel“ (S. 18) schmückt.

In ähnlicher Weise missbraucht er das Bild „Der königliche Patient Otto“ aus seinem oben genannten Buch „Schattenkönig“ (dort S. 105), indem er König Ottos Kopf gegen den von Ludwig austauscht – und dies nicht einmal so kennzeichnet. An anderer Stelle collagiert er geradezu lächerlich das Bild des Kronprinzen Ludwig mit einer übergroßen Königskrone (S. 31).
Das Bild des Adjutanten und zeitweise besten Freundes, Prinz Paul von Thurn und Taxis wird aus dem Buch „Die Bayerischen Königsschlösser in Wort und Bild“ von Jos. Ludw. Craemer (1898, S. 50) entnommen und schamlos als König Ludwig im Traum „über den Zaubersee“ fahrend vorgelegt (S. 34).

Mindestens genauso durchwachsen wie die Illustration kommt auch der Inhalt des Buches daher. Vielleicht der kindlichen Zielgruppe geschuldet, reihen sich einige Anekdötchen aneinander, die mit Fakten recht freizügig umgehen. Der „Ludwigstag“ (S. 16) geht beispielsweise nicht auf die bayerischen Könige zurück, sondern auf König Ludwig IX. von Frankreich, der am 25.08.1270 vor Tunis auf einem seiner Kreuzzüge starb und seitdem auch als Ludwig der Heilige verehrt wird. Man könnte dies als Kleinigkeit abtun, wären nicht gerade für den hier im Mittelpunkt stehenden König Ludwig II. von Bayern Jahrestage (die auch heute noch begangen werden) und historische Persönlichkeiten enorm wichtig gewesen.

Einige nette, menschelnde Geschichtchen, wie die der „goldenen Uhr“ (S. 38), die Ludwig nicht wie sonst üblich als Misanthrop darstellen, wechseln sich ab mit verdrehten Tatsachen, bspw. dem Ankauf von Linderhof, den nicht Ludwig kaufte, sondern schon sein Vater Maximilian als Jagdhaus nutzte. Die immer wieder im Zusammenhang mit dem König und seinen Schlössern aufgeworfene Frage nach den Kosten wird hier (S. 43) im Betrag zwar etwas ungenau (es war ca. eine halbe Million Reichsmark teurer) angegeben, aber entscheidend ist, dass er alle Schlösser – und nicht nur Linderhof – „aus seiner eigenen Tasche“ bezahlte. Auch die immer wieder falsch geäußerte Behauptung, „dabei vergaß er ganz aufs Regieren“ (S. 52) ist bekanntlich vollständig widerlegt.

Insgesamt ist das Büchlein für ein Märchenbuch zu fantasielos und langweilig und gibt sich anderseits im Untertitel als Sachbuch aus, wovon es jedoch ebenso weit entfernt ist wie von einem Märchen. Das Buch spielt bewusst mit dieser Zwitterhaftigkeit – dies allerdings nicht zum Vorteil des Lesers.
In direkter Nachfolge zu seinem Buch „Die letzten Tage im Leben von König Ludwig II.“ (EOS-Verlag, 2003), das ja auch schon verlagsseitig angekündigt wurde als „mit zahlreichem bisher unveröffentlichtem Bildmaterial“, erscheint das Buch als geradezu unsachlich und trivial.
Es gibt bereits eine Reihe Bücher zu König Ludwig II., die sich überzeugender als Comic oder Märchenbuch präsentieren – bei dem hier besprochenen Buch wird man aber derart mit sachlich dargebotenen Falschinformationen überschüttet, dass das Lesen fast schon schmerzt, wenn man die Fakten kennt. Sicherlich ist Schweiggerts Publikationsdichte bewundernswert – sie scheint aber leider zunehmend in die Trivialität abzugleiten.

Über die Zeichen- und Bildmontagekünste von Alfons Schweiggert kann man streiten – unstrittig aber sollte sein, dass dieses Buch weder das erste Märchenbuch über König Ludwig II. ist, noch ein historisches Sachbuch, als welches es auf der Rückseite angepriesen wird.
Dennoch wird es auf der Kitsch-und-Kommerz-Welle reitend in Souvenir-Läden zwischen Biergläsern, Aschenbechern und Kuckucksuhren mit dem Portrait Ludwigs sicherlich gut aufgehoben sein.

Berlin, 12.07.2004


ludwig-zwo@michaelfuchs.de

 

© Michael Fuchs   |  nach oben

zu meinem Blog