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CD-ROM-Besprechung

Anita Schäffler: „König Ludwig II. von Bayern und seine Reisen in die Schweiz“
Dokumentation (CD-ROM)
unter Mithilfe von Sandra Borkowsky und Erich Adami;
erhältlich direkt bei der Autorin oder beim Musical in Füssen

Preis: 12,50 Euro (20 Euro m. Verpackung u. Versand)

Besprechung als PDF-Dokument


Lange Winternächte, stille Abende - da hat man endlich mal wieder Muße, ein richtig gutes Buch zu lesen, ein Hörbuch oder eine CD zu genießen. Nur: welches Medium entspricht am ehesten den eigenen Vorstellungen? Ob man nun lieber in Büchern blättert oder sich eine CD anhört muss jeder für seinen Geschmack selbst herausfinden. Noch nicht ganz durchgesetzt hat sich ein neues Medium: die CD-ROM. Ganz zu Unrecht verbringt die CD-ROM ein recht stiefmütterliches Dasein, ermöglicht sie doch ganz neue Möglichkeiten, sich interaktiv in ein Thema einzuarbeiten und das multimedial.

Die CD-ROM kann ein konventionelles Buch nicht ersetzen, aber doch sinnvoll ergänzen. Natürlich sollte man schon einen Computer mit einigen Standards, wie Soundkarte und gutem Monitor, zuhause haben, um in den vollen Genuss des Angebots zu kommen.

Als CD-ROM ist jetzt auch ein Überblick über die Reisen König Ludwig II. in die Schweiz erschienen. Die in der Schweiz lebende Anita Schäffler, die sich nach eigenen Angaben bereits seit acht Jahren mit König Ludwig II. beschäftigt, hat diesen verfasst. Mitgewirkt haben Sandra Borkowsky (technische Ausführung) und Erich Adami, die bereits 2003 über die Frankenreise des jungen Königs ("Triumphale Reise durch Franken") eine hervorragende CD-ROM zusammengestellt haben.

Anita Schäffler hatte schon im August 2005 mit einem Vortrag anlässlich eines Treffens der "Freunde König Ludwigs II. von Bayern" die Reisen Ludwigs in die Schweiz erfolgreich vorgestellt und so durfte man auf die digitale Version sehr gespannt sein.

Beim Start des CD-Inhalts erscheint eine Bilder-Collage mit dem Text "Der Märchenkönig von Bayern soll Schweizer werden". Leider erschließt sich der Sinn dieser Aussage zunächst nicht gänzlich. Ist es ein Zitat? Oder der Wunsch der Verfasserin? Die launige Überschrift lässt den Blick dann auf das Füssener Schloss Neuschwanstein schweifen, welches seltsamerweise an einen See (Vierwaldstättersee?) heranmontiert wurde, obwohl es ja mit der Schweiz oder Ludwigs Reisen dorthin eher wenig bis gar nichts zu tun hat.

Behandelt werden die Reisen "König Ludwig II. in der Innerschweiz" (Herbst 1865), "Tribschen" (Mai 1866) und "Reise mit Josef Kainz" (Sommer 1881), die über jeweils einen eigenen Button in der oberen Menüleiste angesteuert werden können.

Der Text in der Mitte der Seite ist umrahmt von einem Navigationsmenü ("weiter", "Bilder", "Suche") und kontextbezogenen Bildern, die aber leider weder als Miniatur noch bei der Vergrößerung erklärt werden; bei manchem Bild hätte man sich schon eine ausführlichere Beschreibung gewünscht.


Einige Bilder und im Text rot markierte Links (digitale Querverweise) öffnen sich erst nach einem normalen Mausklick, viele hingegen bereits, wenn man nur mit dem Mauszeiger darüber fährt. Man sollte also seinen Mauszeiger sehr konzentriert bewegen, um nicht beim Lesen oder Navigieren von "Bilder-Pop-Ups" irritiert zu werden.

"Rheingold", "Siegfried-Idyll" und "Rienzi" werden zur musikalischen Untermalung angeboten - die Musik lässt sich individuell ein oder ausschalten (es handelt sich dabei um Dateien im leider relativ stark komprimierten mp3-Format).

Die Suchfunktion ist recht schnell und effektiv - allerdings wird man dann nur zu der entsprechenden Seite, nicht aber zur konkreten Fundstelle geleitet; man muss also erneut auf der Seite manuell suchen.

Bilder und Texte lassen sich nicht aus dem laufenden Programm heraus ausdrucken - die drei Reisen liegen aber als PDF-Datei ebenfalls in einem Verzeichnis der CD-ROM vor und lassen sich von dort ausdrucken.

Die Texte selbst sind im Wesentlichen den im Impressum angegebenen Quellen entnommen - der jeweilige Autor ist gelegentlich auch ordentlich unter der entsprechenden Passage angegeben. Verbunden werden die Zitate, die als solche aber nicht erkennbar sind, durch eigene Anmerkungen der Autorin. Originell ist auch die Möglichkeit, sich einige Texte in schweizerdeutschem Dialekt vorlesen zu lassen (einige Audiodateien liegen einzeln auf der CD-ROM vor.)

Im ersten Kapitel (Innerschweiz) gibt es einen Extra-Button mit der netten Idee, die Aufenthaltsorte aufgelistet zu bekommen. Im zweiten Kapitel (Tribschen) findet man sogar noch "Quellen zum Text" - im dritten Kapitel (Kainz) findet man solche Ergänzungen jedoch nicht.

Am umfangreichsten und ausführlichsten ist der Schweiz-Besuch des Königs mit Josef Kainz ausgefallen. Wer nun meint, Ausführungen aus dem Buch "Ludwig II. König von Bayern. Ein Charakterbild." von Professor Dr. C. Beyer aus dem Verlag von Gustav Fock (ca. 1900) wieder zu erkennen, sieht völlig richtig, wenn auch auf einige Passagen verzichtet und einige Formulierungen geändert wurden. Wer also nicht selbst über das kleine 174-seitige Büchlein verfügt, kann der Schöpferin dieser CD-ROM für ihre Mühe des Übertragens in ein digitales Medium danken, denn dadurch werden diese Informationen einem breiteren Kreis hübsch bebildert zugänglich!

Leider fehlt eine Einleitung oder wenigstens eine zusammenfassende Stellungnahme der schweizerischen Verfasserin zu den zusammengefügten Abschriften und somit eine rahmende Positionierung.

Mehrere Biografen und Autoren haben dem König bei diesen Schweiz-Reisen Pflichtvergessenheit vorgeworfen; tatsächlich hat Ludwig ja die Pflege seiner Freundschaften (Wagner, Kainz) seinen Pflichten vorgezogen. Zum Geburtstag Richard Wagners, am 22. Mai 1866, reiste der König in die Schweiz. Am gleichen Tag jedoch hätte der bayerische Landtag in München unter Vorsitz des Königs zu wichtiger Beschlussfassung anlässlich der Mobilmachung der bayerischen Armee gegen Preußen zusammenkommen sollen. Erst Tage später reiste König Ludwig dann nach Schloss Berg zurück - erst danach konnte der Landtag mit seinem Anwesenheit rechnen. Auch diese Entscheidungszwänge, die der König sicher nicht leichtfertig abgewogen hat, kommen in der Zitatensammlung doch zu kurz.

Eine persönliche, eigenständige Wertung der Erlebnisse in der Schweiz und deren Bedeutung für Ludwig hätte durchaus sehr spannend sein können, ging es ihm dabei primär nicht um Reisen in diesen Staat, sondern um Reisen zu Wagner und zu Schauplätzen von Schillers "Wilhelm Tell".

Zur Technik: die CD-ROM startet ohne Installation. Da aber alle Daten in einer fast 250 MB großen exe-Datei zusammen gefasst sind, dauert der Start auch mit einem schnellen Rechner verhältnismäßig lange. Auch das Scrollen im Text ist mühselig langsam, genauso wie die Reaktionszeit beim Weiterblättern. Diese technischen Einschränkungen sind aber wohl bei einem solchen "Low-Budget-Projekt" eine mehr oder weniger unvermeidliche Folge und daher sicher zu verschmerzen.

Die Idee, ein Medium über die Reisen in die Schweiz zu gestalten ist sehr lobenswert, hat doch der Bayernkönig insgesamt nur wenige Exkursionen ins Ausland unternommen. Neben den drei Schweiz-Reisen waren dies bspw. die Reisen zur Wartburg in Thüringen, nach Versailles in Frankreich sowie über den Rhein nach Köln.

Die hier vorliegende CD-ROM vermittelt einen hübschen Überblick über die Reisen und Aufenthaltsorte des Märchenkönigs in der Schweiz. Die collagenhafte Machart hat ja durchaus ihren Reiz. Hier führt das Zusammensetzen von aus ihrem Original-Zusammenhang gerissenen Versatzstücken allerdings zu einem Verlust inhaltlicher Kohärenz. Viele interessante Anknüpfungspunkte werden verschenkt, das Potenzial einer historischen Einordnung wird nicht genutzt. Dennoch hat Anita Schäffler ein schönes Erstlingswerk zusammengestellt, das vielen Interessierten einen unterhaltsamen Einstieg in dieses Thema bieten kann.

Berlin, 20.11.2005


ludwig-zwo@michaelfuchs.de

 

© Michael Fuchs   |  nach oben

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