Homepage
Profil/Lebenslauf
Rezensionen/eigene Projekte
Schnappschüsse
gute Seiten

 

Buchbesprechung

Wolfgang S. Madl
"Die Allerhöchste Jagd in Oberammergau unter König und Prinzregent"
Eine historisch-wissenschaftliche Betrachtung der Jagd im 19. Jahrhundert.
Duschl-Verlag, Winzer 2005
Umfang: 128 Seiten, 34 farbige Grafiken und Tabellen
sowie 15 zeitgenössische Fotos
ISBN 3-937438-25-4
Preis: 24,80 Euro

Besprechung als PDF-Dokument


Nach drei Jahren intensiver Forschungsarbeit in den Archiven des Oberammergauer Forstamtes hat der 1977 geborene Wolfgang S. Madl im Verlag Josef Duschl seine Diplomarbeit über die "Allerhöchste Jagd" der bayerischen Herrscher, hier namentlich den König Ludwig II. und seinen Nachfolger, den Prinzregenten Luitpold, erstellt. Wegen der "mangelnden Förderung von Seiten des Staates und der Uni", so Madl, entstand keine Doktorarbeit, sondern innerhalb eines weiteren Jahres dieses Buch. Er will damit hauptsächlich "Jäger, Historiker und Verehrer bayerischer Herrscher" ansprechen.

Madl ist Leutnant der Reserve, besitzt seit 10 Jahren den Jagdschein und betreut ein eigenes Revier in Wimberg. Seit Sommer 2005 ist er als freiberuflicher Forstwirt tätig.

Es erscheint mir etwas eigenartig, dass der Autor sein Werk mit einem Horrido "der grauen und grünen Zunft" widmet, wohl ein Gruß an seine ehemaligen Kameraden der Gebirgsjäger.

Den Direktor des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums in München konnte der Autor für das Vorwort gewinnen, der darin eine historische Postkarte der Residenz zitiert, die eine vorsichtige Ironie der Prinzregentenzeit zeigt: "In der Schonzeit wird hier regiert."

Die "historisch-wissenschaftliche Betrachtung der Jagd im 19. Jahrhundert" zeigt im Titelbild über einer Luftbildaufnahme des Graswangtals bei Linderhof die Abbildungen König Ludwig II. von Bayern als Hubertusritter und ein Foto des Prinzregenten Luitpold von Bayern als Jäger.

König Ludwig II. war gegen jede Art von Töten (von Menschen - im Strafrecht wie im Kriege - und Tieren) und hatte für Jagdlust keinerlei Verständnis. Jäger und Forstbeamte hatten strenge Anweisungen, wie sie sich zu verhalten hatten, wenn der König nur in die Nähe kam; kein Schuss durfte in Hörweite ertönen.

Interessant also, zu erfahren, wie es der "Märchenkönig" mit der Jagd hielt und - im Gegensatz dazu - sein Onkel und Nachfolger als Herrscher, Prinzregent Luitpold.

Madl behandelt in seinem Buch folgende Themenbereiche, wobei die Fachbegriffe stets für Laien verständlich erläutert werden:
- Gesetze als rechtliche Rahmen für die Jagd, das Jagdrecht in seiner Entwicklung seit 1848
- Aufgaben und Kosten des Forstamtes Oberammergau hinsichtlich der Hofjagd
- Entwicklung des Wildstands und der Wildschäden
- Organisation und Durchführung von Hofjagden
- Einfluss des Wechsels der obersten Jagdherren auf die Jagd in Oberammergau.

Das Forstamt von Oberammergau war zuständig für eine der drei Königsjagden im oberbayerischen Hochgebirge.
Da in diesem Forstamt besonders viel Material, zahlreiche und vielfältige Unterlagen noch vorhanden sind, insbesondere eine umfangreiche Sammlung schriftlicher Unterlagen aus dem 19. Jahrhundert (ca. 1850 bis 1918), bot es sich an, die Entwicklung und Veränderung der Jagd in der Regierungszeit König Ludwig II. und Prinzregent Luitpold zu untersuchen. Der Autor konzentrierte sich hier auf die Jahre 1883 bis 1895.

Im Archiv des Forstamts Oberammergau fanden sich ebenso Jagdprogramme, Anzeigen über Jagdergebnisse, Wildschadenverzeichnisse, Etatentwürfe, Lohnzettel, Frachtbriefe, Rechnungen usw. sowie vor allem ein umfangreicher Schriftwechsel, zum Teil in handschriftlichen Entwürfen.

Zu Beginn vergleicht der Autor die beiden Regenten und greift dabei zwei schöne Zitate zur Verdeutlichung auf:

- Zu König Ludwig II. findet er eine Beschreibung der Atmosphäre im Königshaus am Schachen, wie sie Louise von Kobell beschrieb: "Hier saß in türkischer Tracht Ludwig II. lesend, während der Troß seiner Dienerschaft als Moslems gekleidet auf Teppichen und Kissen herumlungerte, Tabak rauchend und Mokka schlürfend, (…) Dabei dufteten Räucherpfannen und wurden große Pfauenfächer durch die Luft geschwenkt um die Illusion täuschender zu machen."

- Treffend findet der Autor eine ähnliche Beschreibung zur Atmosphäre mit dem Prinzregenten: "Der Regent kam einmal von der Jagd und nahm (…) seinen Imbiss ein. Die wackeren Grünröcke rauchten, dass der Qualm das ganze Zimmer erfüllte. Es wurde Bier getrunken, und die Kellnerin hatte eine schäumende Maß vor den Platz des hohen Jagdherren gestellt. (…)"

Man kann sich also tatsächlich lebhaft vorstellen, wie der Prinzregent nach seiner Jagd mit seinen Gesellen - auch auf dem Schachen - hauste.

Den in orientalischer Pracht ausgestatteten oberen Bereich des späteren Jagdhauses nutzte Luitpold nicht - aber die anderen, schmuckloseren Räume wurden, ebenso wie andere Berghütten anderweitig genutzt.

Madl zeigt auch hier recht deutlich, wie sich die Kosten für die Jagd nach König Ludwigs Tod annähernd verdoppelt haben. Genauestens ermittelt er im Gesamtetat die Kosten, Investitionen und Einnahmen der Jagd, z. B. für Personal, Schussgelder, Wildschaden und allerhöchste Jagden, nicht zuletzt die Kosten für das ausgeschenkte Freibier für die Treiber.

Zu den Investitionen gehören auch zahlreiche Neubauten des Prinzregenten, um "die Funktionalität der Jagd zu verbessern". So konnte auch ganz freizügig der im Rohbau fertige Hubertuspavillon (hier Hubertus-Tempel genannt) bei Schloss Linderhof abgetragen und das Baumaterial für "Zerwirklokale" verwendet werden. Hatte König Ludwig den im bayerisch-süddeutschen Rokoko entworfenen Pavillon vor allem als Juwel in der Natur im Ammerwald, einzig ausgestattet mit Schlaf-, Lese- und Speisezimmer, vorgesehen, so benötigte Luitpold das neue "Lokal" zum Zerlegen der getöteten Tiere durch Metzger.

Wolfgang S. Madl rühmt den Prinzregenten Luitpold und seine Ausgaben, die stets "praktische Überlegungen sind". Da dieser mit seinem Geld eben nicht "einsame Königsträume" einer "geschaffenen Märchenwelt" finanziert, sei er ein "pragmatisch denkender Mensch".

Die Ausgaben der Jagd stiegen seit 1886 unter Luitpold um das doppelte; die Einnahmen halbierten sich: wurde unter Ludwig II. mehr Wert auf Einnahmen aus der Jagd gelegt, musste unter dem Prinzregenten eine hohe Wilddichte geschaffen werden, um dessen "Jagdvergnügen" zu befriedigen.

Dadurch stieg jedoch auch der Wildschaden beträchtlich - ab 1891 sogar so stark, dass "aufgebrachte Bürger, Bauern und Waldbesitzer (…) ihrem Ärger anonym Luft" machen mussten.

In der Regierungszeit König Ludwig II. wurden keine Hofjagden abgehalten. In den traditionell für die Herrscher besonders gepflegten Leibgehegen wurden aber viele Jagderlaubnisse erteilt, die dann im April 1881 auf Erlass des Königs wieder eingezogen worden sind.

Besonders gut verstehen kann man die Ablehnung der Jagden durch Ludwig II. beim Kapitel über die "Durchführung der Jagden": "Noch unter König Ludwig I. wurden so genannte ‚eingestellte Jagden' abgehalten. Bei diesen Jagden wurde das Wild schon Tage vorher in das zu bejagende Gebiet eingetrieben. Durch ‚Verlappen' oder ‚Verfeuern' wurde es am Auswechseln gehindert. So wurden die Fluchtwechsel mit Tüchern (Lappen) o. ä. zugehängt oder an entsprechenden Stellen Feuer entzündet. Das so ‚eingesperrte' Wild wurde dann im so genannten ‚Ausjagebogen' (beim Gamswild auch ‚Abschussbogen' genannt) umstellt. Hunde jagten das Wild vor die Waffen der Jäger."

In der schön gelungenen Zusammenfassung verdeutlicht der Autor noch einmal die Unterschiede in der Jagdausübung in der Zeit Ludwig II. und seines Nachfolgers Prinzregent Luitpolds; ihm gelang tatsächlich eine ehrliche Betrachtung der Hofjagd in Bayern gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Statistiken, die teilweise auch grafisch aufgearbeitet wurden, zeigen beispielsweise auf, welche Kosten der Jagdbetrieb verursachte und wie sich der Wildbestand und Abschuss entwickelte.

Es folgen Literatur-, Archiv- und Bilder-Verzeichnisse sowie ein umfangreicher Anhang (48 Seiten) mit transkribierten Briefen.

Zahlreiche Berghütten, die Ludwig von seinem Vater Maximilian als Jagdhütten übernommen und geliebt hatte, wären sicher auch der Erwähnung wert gewesen. Der Autor führt an, dass jene Berghütten, die Ludwig teilweise sehr intensiv nutzte, nach dessen Tod "wieder renoviert" und "neu bestückt" werden mussten; unter König Ludwig wurde tatsächlich nicht viel für den Erhalt der jagdlichen Infrastruktur getan.

Aber Ludwig liebte nun mal die Berge, die Natur und auch seine Berghütten. Man hätte an dieser Stelle durchaus betonen können, dass "beträchtliche Summen" in den ersten Jahren der Regentschaft Luitpolds ausgegeben werden mussten, um sie wieder jagdtauglich zu machen. Die hohen Kosten entstanden hier nicht, weil Ludwig die Hütten nicht gepflegt hatte, sondern, weil der Prinzregent sie für seinen Bedarf - ganz gegensätzlich zu den Intentionen des vormaligen Königs - umfunktionierte.

Die vorhandenen Ortsangaben sind zwar recht detailliert benannt und beschrieben - einige ergänzende Karten mit den genauen Standorten wären jedoch noch hilfreich, insbesondere für den ortsunkundigen Leser, aber auch zur allgemeinen Orientierung.

Von König Ludwig II. zeigt das Buch nur eine Abbildung, nämlich das bereits für das Titelbild verwendete Motiv: Ludwig als Großmeister des Hausritterordens vom heiligen Hubertus, dem Hausorden der Wittelsbacher.

Zur Geschichte des Heiligen Hubertus, der als Schutzheiliger der Jäger gilt, schreibt Madl leider nichts - zeigt doch gerade dessen Legende sehr deutlich Ludwigs Bezug zur Jagd: Nach der Legende aus dem 8. Jahrhundert hetzte Hubertus, ein fränkischer Adliger, einen großen Hirsch durch den Wald. Erschöpft blieb das Tier nach langer Jagd stehen und wendete sich um. Da leuchtete zwischen seinen Geweihstangen ein goldenes Kreuz - Ritter Hubertus war derart beeindruckt, dass er beschloss, sein Leben zu ändern, Buße zu tun und nie mehr zu jagen und zu töten.

Die 15 zeitgenössischen Fotografien zeigen - wie zu erwarten - nur den Prinzregenten Luitpold bei der Jagd. Madl beschließt seine Arbeit mit den Worten "die romantisierte Gebirgsjagd (…) fußte auf einer nüchternen und sachlichen Organisation und auf der Arbeit von Forstämtern." So ist auch sein Buch eine sehr akribisch angefertigte Auswertung des Archivmaterials zur Jagd in Oberammergau. Der Leser gewinnt einen hochinteressanten Einblick in die Details der Jagd im 19. Jahrhundert. Trotz aller nackten Zahlen, Daten und Fakten ist das Buch auch für den interessierten Laien lesenswert, nicht nur für den "Jagdfreund".

© Michael Fuchs, Berlin, 25.03.2006

ludwig-zwo@michaelfuchs.de

 

© Michael Fuchs   |  nach oben

zu meinem Blog